Das Sächsische Bergsteigen gilt als eine Wiege des Freikletterns und wird bis heute im Wesentlichen in seiner ursprünglichen Form ausgeübt. Es hat maßgeblich zur hilfsmittelarmen Kletterphilosophie unter Hervorhebung der Eigenverantwortung zur Überwindung von Schwierigkeiten beigetragen.
Die Kulturform ist mehr als Bergsport in einer Jahrmillionen alten Felslandschaft. Mit letzterer sind die Kulturtragenden oft tief verbunden und wollen sie nicht nur des sportlichen Aspekts wegen bewahren, sondern auch zur Weitergabe des Kulturguts an künftige Generationen. Verzicht gehört ebenso dazu wie ein reiches Naturerleben. Die Klettergemeinschaft lebt in Klubs, Familien und in Freundeskreisen. Viele Kulturtragende gehören einer Sektion des DAVs. Neben den drei Dresdner Sektionen (SBB, ASD und SD) sind die Sektionen Leipzig, Chemnitz, Zittau oder Plauen-Vogtland beliebt. Träger der Kulturform finden sich aber auch bis in den Berliner Raum.
Die Entwicklung der Kultur begann vor ca. 130 Jahren.
Dokumentiert ist dies in persönlichen Bergfahrtenbüchern, Gipfelbüchern und deren Archiv, Kletterführern, Klubchroniken.
Das Sächsische Bergsteigen ist mehr als nur Klettern!
Zum Kulturgut gehören genau so die Berghütten und Boofen (Freiübernachtungsstellen), die traditionell von Kletternden genutzt werden. Kulturtragende beteiligen sich außerdem ehrenamtlich am Erhalt und Bau von Zustiegswegen, im Naturschutz und in der Bergwacht.
Das Sächsische Bergsteigen findet außerdem Ausdruck in Musik, Malerei, Fotografie und Literatur. Kulturprägend sind dabei die Bergsteigerchöre wie die Bergfinken (seit 1920), Rockbands wie Schlappseil (seit 1986) oder das Musizieren beim abendlichen Beisammensein. Zudem präsentiert die Stiftung Kunst und Berge seit 2011 Werke, die sich mit dem Thema Berg auseinandersetzen.
Die Kultur wird von einer Personengruppe getragen, die in Alter, sozioökonomischen Verhältnissen und Weltanschauung sehr heterogen ist. Alle eint die Überzeugung, dass die Sächsischen Kletterregeln vernünftig und Grundlage des sportlichen Handelns sind. Selbstbeschränkung und Eigenverantwortung nehmen einen hohen Stellenwert ein. Einen Kletterweg (noch) nicht zu klettern und bis zur Durchsteigung mit Geduld und Demut einen weiteren persönlichen Reifungsprozess zu durchlaufen, hat beim Sächsischen Bergsteigen einen besonderen Wert.
Das Sächsische Bergsteigen wird oft von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter gelebt. Es bestimmt das Selbstbild der Kulturtragenden und ist für sie sinnstiftend. Daraus entsteht eine Haltung, welche auch den Alltag der Kulturtragenden beeinflusst. Der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen, das Erkennen und Tragen von Konsequenzen des eigenen Tuns im Allgemeinen sind nur zwei Aspekte davon.
Die Dokumentation der Gipfelbesteigungen geschieht oftmals in persönlichen Bergfahrtenbüchern und durch Einträge in Gipfelbücher. Zeugnis für diese lange Tradition ist das Gipfelbucharchiv mit mehr als 4.300 Gipfelbüchern. So ist es möglich, die Besteigungen der Gipfel bis ca. 1900 zum Teil lückenlos nachzuvollziehen. Das wahrscheinlich weltweit erste Gipfelbuch wurde bereits im Jahr 1893 in der Sächsischen Schweiz auf dem Schusterturm im Bielatal ausgelegt.
Heute steht das Sächsische Bergsteigen in enger Wechselwirkung mit anderen Kletterformen wie Bouldern an Felsblöcken und urbanen Bauwerken, Sportklettern in der Region wie z.B. in Steinbrüchen und Kletterhallen.